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„Wir können unser kulturelles Erbe in seiner Gesamtheit den Menschen verfügbar machen“

Seit 2015 ist die SPAU GmbH mit Sitz in Münzenberg im Dienste der Archäologie unterwegs. Zahlreiche Ausgrabungen und archäologische Gutachten zählen zu den Referenzen des Unternehmens, in dem aktuell 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind. Gründer und Geschäftsführer Sascha Piffko spricht im Interview über die breite Palette an Aufgaben, die sein multidisisziplinäres Team erledigt, über die Anschaffung des 3D-Scansystems CYBERGLOBE Culture und über die enormen Potenziale, die die Digitalisierung archäologischer Funde lokal, regional und global zu bieten hat.

Herr Piffko, können Sie bitte kurz erklären, welche Art von Ausgrabungen Sie und Ihr Team vornehmen und welche Arbeiten Sie darüber hinaus erledigen? 

Meine Firma, die SPAU GmbH, macht nicht nur die Ausgrabungen, sondern wir betreuen unsere Kunden ganzheitlich. Es beginnt damit, dass wir Unternehmen, die ein Bauprojekt planen, schon bei der Planung unterstützen. Wir geben ihnen ein Risikomanagement an die Hand, damit sie erkennen können, wie hoch die Kosten sind und wie hoch das Risiko für das Gesamtprojekt ist. Wir schreiben auch sehr umfangreiche Gutachten, zum Beispiel für die großen Stromtrassen. Und wir machen geophysikalische Untersuchungen, also Messungen, bei denen man ohne Bagger oder Spaten feststellen kann, ob Archäologie vorhanden ist oder nicht.

Sie haben Risiko gesagt. Heißt das aus Sicht des Bauträgers, dass eventuell viel gefunden wird und sich alles in die Länge zieht?

Genau. Es kann passieren, dass der Bagger den Oberboden abträgt und man völlig überrascht ist, wenn sich da ein römisches Kastell oder eine keltische Grabanlage befindet. Dann hat man eine Kostenexplosion. Die Kosten der Ausgrabung sind das geringste Problem. Die Verzögerung beim Bau kostet ja ein Vielfaches gegenüber den Ausgaben für den Archäologen. Wir bieten dem Kunden an, dass wir im Vorfeld genau dieses Risiko analysieren und feststellen, was die besten Methode ist, den Bau zu ermöglichen – risikoarm und ohne Unterbrechung.

Wie können Sie das Risiko abschätzen?

Es beginnt damit, dass wir in den Archiven nachschauen, ob jemand in den letzten 200 Jahren dort schonmal was gefunden hat. Wir haben die Möglichkeit, Luftbilder einzusehen. Vielen Fundstellen sind durch Überfliegung entdeckt worden, das ist durch Google Earth deutlich einfacher geworden. Es gibt das sogenannte LiDAR-Scan-Verfahren, bei dem man durch das Überfliegen und das Scannen der Erdoberfläche viele Denkmäler, die bisher unbekannt gewesen sind, lokalisieren kann. Insbesondere im Wald und in dicht bewachsenen Gebieten, die schwer zugänglich sind. Und man nimmt die Geophysik mit rein: Wir laufen mit dem Messgerät über den Acker oder durch den Wald und messen das Magnetfeld und Störungen darin.  

Der nächste Schritt ist die Ausgrabung an sich. Wie läuft sie ab?

Die archäologische Untersuchung, die Ausgrabung, ist eine dokumentierte Zerstörung des Denkmals. Den Oberboden, den Bereich, in dem nichts liegen kann, nehmen wir raus, Darunter kommt dann die Archäologie. Das ist gar nicht so tief, wie man oft denkt. Auf einer Apfelwiese müssen wir fünf Zentimeter runter, auf einem gepflügten Acker 30 Zentimeter. Dann erkennen wir den archäologischen Fund, das können etwa Mauern sein oder Gräber. Dies wird von uns dokumentiert ausgegraben. Wir müssen alles fotografieren, messen, unter Umständen  auch zeichnen. Die Funde werden geborgen – Scherben, Knochen, Metallgegenstände, Glas, was auch immer. Das wird bei uns in die Werkstatt gebracht, inventarisiert, gereinigt, verpackt und je nach Materialgruppe restauratorisch behandelt, Dann geht es an die Landesämter, denn in der Regel sind die Bundesländer Eigentümer der Funde.

Sie haben ein interdisziplinäres Team. Welche Rolle spielt diese Vielfalt?

Wir brauchen im Vorfeld technisch sehr versierte Leute, die sich mit Geophysik auskennen. Außerdem benötigen wir Datenmanager, die sind aber in der Regel auch schwerpunktmäßig Archäologen. Bei der Ausgrabung brauchen wir vor allem Archäologen, aber da sind auch immer wieder Quereinsteiger dabei, die aus Interesse und Spaß an der Archäologie den Berufsweg gewählt haben, ohne Studienhintergrund. Und in der Restaurierung haben wir die Restauratorinnen, die das Fundmaterial behandeln, die Anthropologinnen, die sich mit den menschlichen Überresten befassen, damit, ob die Knochen von einem Mann oder einer Frau, einem Kind oder einem Erwachsenen stammen, was die Todesursache war und welche Krankheitsbilder man erkennen kann. Wir haben eine Archäozoologin, die bestimmt, um welche Tierknochen es sich handelt, was auch über die Ernährung und das Jagdverhalten unserer Vorfahren Auskunft gibt. Dann haben wir eine Achäobotanikerin im Team, die sich mit den pflanzlichen Überresten auskennt. Für all diese Dinge haben wir Spezialistinnen und Spezialisten, weil ich ein ganzheitliches Bild von der Archäologie vertrete. Ich möchte, dass jeder Fund, jedes Material, das bei mir ins Haus reingeht, eine optimale Behandlung erfährt.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei Ihrer Arbeit?

Seit 30 Jahren spricht man in der Archäologie von der Notwendigkeit, mehr zu digitalisieren, und seit 30 Jahren laufen wir als Archäologen der Entwicklung hinterher. Zum Beispiel gibt es in Deutschland noch keine einheitliche Datenbank für das Fundmaterial oder die wissenschaftlichen Daten, die wir entdecken und die wir eigentlich der Öffentlichkeit auch zur Verfügung stellen wollen. Funde werden oft noch per Hand gezeichnet, das macht es uns bei den Massen, die wir vor uns haben, unmöglich, alles zu bewältigen. Wir merken zunehmend, dass die Digitalisierung unumgänglich ist. Wir brauchen sie bei der Ausgrabung, wo wir deutlich schneller Daten nicht mehr handschriftlich, sondern digital ablegen müssen. Statt der Zeichnung wird mehr fotografisch und mit Scans erledigt. Die Funde, die bei uns in der Restaurierungswerkstatt landen, müssen wir sehr schnell aufnehmen, wir wollen möglichst viele Informationen mitnehmen und zugänglich machen. Deswegen werden Fotografieren und Scannen immer wichtiger.

Stichwort Scannen: Sie haben sich für einen CYBERGLOBE Culture entschieden. Was bedeutet es für Sie, die Objekte mühelos dreidimensional und komplett erfassen zu können – im Vergleich zum Arbeiten mit Fotografien?

Wenn wir den Schädel eines Menschen finden, der vor 5000 Jahren gelebt hat, dann machen wir davon eine Gesichtsrekonstruktion, falls der Auftraggeber das wünscht. Es hat eine riesige Faszination, dass man jemandem, der irgendwann mal gelebt hat, ins Gesicht schauen kann. Deswegen machen wir das immer häufiger. Dafür müssen wir den Schädel extrem genau ausmessen, brauchen dreidimensionale Aufnahmen. Bisher haben wir immer fotografiert, aber es hat einige Tage bis zu zwei Wochen gedauert, bis wir die Foto-Daten zusammengetragen und bearbeitet haben. Da ist der CYBERGLOBE Culture eine deutliche Verbesserung, was die Genauigkeit der Daten angeht, wir bekommen eine sehr gute Auflösung und sehr detailgenaue Aufnahmen. Dann das Thema Zeit: Wir können die Aufnahme sehr schnell durchführen, haben eine riesige Kostenersparnis und eine enorme Effizienz. Wir sehen, dass wir momentan riesige Massen an Funden bewältigen müssen und dass das Interesse besteht, endlich die vielen bestehenden deutschen Sammlungen zu inventarisieren. Nun haben wir die Möglichkeit, sehr schnell sehr genau die Daten aufzunehmen, ohne Qualitätsverlust. Wir können unser kulturelles Erbe in seiner Gesamtheit den Menschen verfügbar machen.

Neben den Rekonstruktionen ermöglicht der Scan auch, dass man jederzeit das Objekt in seiner digitalen Form betrachten und analysieren kann, auch wenn man das Original nicht vorliegen hat.

Der wichtigste Punkt ist, den  Fund zugänglich zu machen. Menschen in der ganzen Welt haben unter Umständen Interesse an einem Fund. In China sitzt ein Forscher, der eine Doktorarbeit zu einem bestimmten Thema schreibt  und dafür Daten von einem Objekt braucht, das sich in Deutschland befindet. Klassischerweise setzt man sich ins Flugzeug und fliegt nach Deutschland. Das wollen wir aus ökologischen Gründen heute nicht mehr, es ist finanziell eine Herausforderung, der Zeitaufwand ist riesig, und von vielen Objekten ist schlichtweg nicht bekannt, dass sie vorhanden sind. Wenn wir es schaffen, all diese Objekte, die irgendwo in Museen, Sammlungen, Archiven und Depots liegen, zu digitalisieren und in Datenbanken zugänglich zu machen, kann auf der gesamten Welt mit dem Objekt gearbeitet werden. Man kann Objekte, die bisher gar nicht bekannt waren, in die Forschung mit einfließen lassen. Wir geben viele Milliarden aus, um Forschungsdaten zu bekommen, und die Daten liegen momentan ungenutzt herum. Man könnte mit einem deutlich geringeren Aufwand diese vorhandenen Daten zugänglich machen und müsste nicht ständig neue Daten irgendwo gewinnen. Das ist ein riesiger Vorteil, mit dem man Forschung nach vorne katapultieren kann und auch internationale Forschung möglich macht.

Der zweite Aspekt ist natürlich die Möglichkeit, Dinge zu reproduzieren. Wenn wir als Archäologiefirma für eine Kommune im Wetteraukreis ein Ausgrabung machen, ist immer das Interesse an den Objekten da. Die Bevölkerung, die Politiker, die Gewerbetreibenden haben ein Interesse daran, bestimmte Objekte in die Hand zu nehmen. Das kann man aber in der Regel nicht machen, weil die Originale zu empfindlich sind. Sie können sie aber durch das Einscannen dreidimensional auf Bildschirmen präsentieren oder über einen 3D-Scanner und einen 3D-Drucker das Objekt reproduzieren. Wir haben zum Beispiel Tassen aus der Jungsteinzeit, die wir gefunden haben, eingescannt und reproduziert. Die Bürgermeister können eine solche Tasse Delegationen, die zu Besuch sind, schenken. Ein archäologisches Objekt, das man in der Kommune gefunden hat, ist ein einmaliges Geschenk. 

Ist das für Sie ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein?

Ja, es ist mein großer Wunsch, dass wir da eine Dienstleistung anbieten können. Für Museen, Sammlungen, Depots, Ämter, die kostengünstig Objekte digitalisiert haben wollen und dadurch die Möglichkeit schaffen, ganz neue Wege zu gehen.

Wichtig ist mir auch die Sicherung des Fundguts: Wir sehen durch Kriege und Umweltkatastrophen, dass auch Kulturgut bedroht und plötzlich nicht mehr zugänglich ist. Wenn ich die Funde digitalisiert habe, sind sie gesichert. Selbst wenn der Fund aufgrund einer Umweltkatastrophe, eines Krieges oder eines Diebstahls verschwunden ist, ist er dank Digitalisierung immer noch greifbar. Und wir können ihn reproduzieren. Der Verlust ist nur noch das reine Objekt, aber nicht das Wissen, das bleibt uns erhalten.

Welche Rolle spielen 3D-Digitalisierung und 3D-Druck, wenn es darum geht, dass Archäologie deutlich populärer wird?

Momentan nutzen wir die Möglichkeiten der Archäologie viel zu wenig. Die Ausgrabung im Laufe eines Bauprojektes wird als Ärgernis gesehen. Man sieht nur den monetären Aspekt. Wir haben aber die Möglichkeit, wenn wir doch schon so viel Geld in ein Projekt investieren, die Ergebnisse maximal zu nutzen. Wenn man den Menschen die Daten, die Objekte und die Faszination verstärkt präsentiert, man ihnen für einen kleinen Aufpreis ein Produkt anbietet, das während dieser Ausgrabung entstanden ist, dann gibt man ihnen etwas Positives, Schönes, Lehrreiches. Vielleicht eine Gesichtsrekonstruktion, durch die man einem Vorfahren ins Gesicht schauen kann. Geschichte, Archäologie werden  begreifbar. Ich kann ein Objekt in die Hand nehmen, drehen und wenden, kann Fragen daran stellen und es gibt mir Antworten. Plötzlich ist das ausgegebene Geld nicht einfach weg, sondern ich habe einen Nutzen daraus.  Darin sehe ich einen gewaltigen Wert dafür, dass Archäologie in der Gesellschaft besser angenommen werden kann.  

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